Da macht sich die dialogbetrieb GmbH & Co. KG aus Nürnberg immerhin die Mühe und reserviert sich die domain johann-wolfgang-goethe.de. Wahrscheinlich denkt man dort, nach Goethen suchen im Netz viele, und wenn man denen ein entsprechendes Angebot präsentiert, dann schauen die vielleicht auch mal auf unserer kommerziellen Heimseite vorbei. Stimmt, klappt, habe ich gemacht. Aber nun nicht gerade, weil mich johann-wolfgang-goethe.de so überzeugt hätte, sondern weil ich nachschauen wollte, wer nun wieder für diesen Unfug verantwortlich ist.
Gleich auf der Eingangsseite springt einen die Ahnungslosigkeit desjenigen, der für die Inhalte verantwortlich ist, unvermittelt an:
Goethes Leben ist geprägt von einem unstillbaren Hunger nach Wissen und leidenschaftlichen Verliebtheiten. Die unerfüllte Liebe zu der Verlobten eines Freundes inspiriert ihn dazu, “Die Leiden des jungen Werther” zu verfassen […].
Wie mag sich „unstillbarer Hunger nach […] leidenschaftlichen Verliebtheiten“ wohl ausnehmen? Und Goethe war mit Johann Christian Kestner also bereits befreundet, als er Charlotte Buff kennenlernte? Da hätte eine Lektüre des davon inspirierten Buches aber auch nicht geschadet.
Unter der Rubrik Weimarer Klassik finden wir die hoch interessante These, Goethe habe Schiller 1794 kennengelernt. Und:
Beide verbindet die Distanz zur Französischen Revolution, beide arbeiten an der politisch neutralen Zeitschrift “Die Horen”.
Das erste Mal, dass eine Distanz verbindet! Und dass beide an den „Horen“ arbeiten, mag nur mit sehr gutem Willen als eine Beschreibung der tatsächlichen Verhältnisse durchgehen. Zwar mag der Verfasser läuten gehört haben, dass im Programm der „Horen“ etwas stand, das sich als Vorgabe der politischen Neutralität lesen lässt, aber einen Blick auch nur in das erste Heft der Zeitschrift hat er offensichtlich nicht geworfen; oder, falls er doch einen hinein geworfen hat, so hat er nicht verstanden, was er dort gesehen hat.
Da wundert es denn auch nicht, wenn man „Hermann und Dorothea“ unter den Dramen aufgelistet findet. Sehr hübsch ist auch die Auflistung der „Vermischten Gedichte“ Goethes. Womit mag er die wohl vermischt haben? Und immerhin soll Goethe auch fünf Abhandlungen geschrieben haben, und da ist die über den Zwischenkieferknochen noch nicht einmal mitgezählt. Und soll da nicht noch was mit einer „Farbenlehre“ gewesen sein? Na, nichts genaues weiß man nicht.
Jede Seite des unsäglichen Produkts dokumentiert die tiefe Ahnungslosigkeit, aus der heraus hier publiziert wird. Was mich daran überrascht, ist, dass sich jemand doch immerhin einige Mühe hat machen müssen, um diesen groben Unfug ins Netz zu stellen. Was mag ihn dazu bewogen haben? Ein besonders inniges Interesse an Goethe oder seinen Werken kann es jedenfalls nicht gewesen sein.
Und nun in unsern Tagen die Leichtigkeit, jeden Irrthum […] sogleich allgemein predigen zu können! Mag ein solcher Kunstrichter nach einigen Jahren auch besser denken, und mag er auch seine bessere Überzeugung öffentlich verbreiten, seine Irrlehre hat doch unterdeß gewirkt und wird auch künftig gleich einem Schlingkraut neben dem Guten immer fortwirken. Mein Trost ist nur, daß ein wirklich großes Talent nicht irrezuleiten und nicht zu verderben ist. (zu Eckermann, 13. Februar 1831)