Dagmar von Gersdorff liefert in ihrer gewohnten Manier einen biographische Überblick zu den drei Kindern Ottilies und Augusts von Goethe: Walther, Wolfgang und Alma. Wie dünn die Quellenlage ist, mag man daraus ablesen, dass wir zu Ottilie von Goethe allein beinahe soviel erfahren wie zu ihren drei, bzw. vier Kindern, denn auch die nachgeborene, uneheliche und bald verstorbene Anna findet Erwähnung.
Wie immer bei Gersdorff sollte man keine tiefgreifenden Analysen erwarten, sondern sich auf schlichte Darstellungen der Faktenlage einstellen. Das bedeutet nicht, dass das Buch keine Überraschungen enthielte: So dürfte etwa die homoerotische, wahrscheinlich auch homosexuelle Beziehung zwischen Robert Schumann und Walther von Goethe in der Goethe-Literatur in dieser Deutlichkeit noch nicht thematisiert worden sein. Auch hier darf man nicht mit einem subtilen psychologischen Profil rechnen; Gersdorff bleibt im Wesentlichen bei der Feststellung stehen, Walther habe anlässlich der ungewollten Schwangerschaft seiner Mutter eine Misogynie erworben, die für sein Verhalten als hinreichende Erklärung herhalten muss. Ob die dargebotenen Quellen für die Vermutung hinreichen, auch Wolf habe homoerotische Neigungen gehabt, mag dahingestellt bleiben.
Insgesamt ergibt sich für Walther und Wolf – Alma stirbt zu früh, um sich ein ausreichendes Bild ihrer Persönlichkeit zu machen – das Bild zweier lebensunfähiger Spätlinge, die durch Krankheiten und Hypochondrie davon abgehalten werden, jemals mit ihrem Leben ernst zu machen. Selbst Wolf, der sich wenigstens zeitweise gegen seine Krankheiten durchzusetzen zu versuchen scheint, beendet seine Karriere als Diplomat nach wenigen Jahren wieder und kehrt zu Müßiggang, halbem Künstlertum und Selbstbetrachtungen zurück. Besonders im letzten Teil des Buches stellt man sich die bei Biographien zum Goethe-Umfeld typische Frage, ob der betriebene Aufwand in einem vernünftigen Verhältnis zu den verhandelten Persönlichkeiten steht. Für Goethe selbst und sein Werk ist der Gewinn verständlicherweise gering.
Dagmar von Gersdorff: Goethes Enkel. Walther, Wolfgang und Alma. Frankfurt/M.: Insel Verlag, 2008. Pappband, 287 Seiten.
19,80 €.