Der Standard hat ein Interview mit Martin Walser geführt, das für seinen seit einiger Zeit durch die Medien geisternden neuen Roman tatsächlich das Schlimmste befürchten lässt:
Standard: Sie haben einen Goethe-Roman angekündigt, „Ein liebender Mann“. Wie wurde Ihnen der zugeliefert?
Walser: Ich habe über Goethes Leidenschaft für die 55 Jahre jüngere Ulrike von Levetzow ein Buch geschrieben. Über diese Frau gibt es nur dürftige, lächerliche Meldungen. Wenn das Ulrike war, dann spinnt der Goethe, wegen der braucht er keine Marienbader Elegie schreiben. Ich habe ihm jetzt eine Ulrike gemacht, die wär’s, die hätte ich ihm gegönnt. Ich war angesteckt von Goethes Leidensqualität, bin es immer noch. Ich habe sogar Briefe von ihm an Ulrike geschrieben.
Standard: Als Goethe?
Walser: Verrückt, nicht? Aber, mein Lieber, für die kann er dankbar sein. Ohne jede Imitation, ohne jeden historistischen Quatsch. Ich habe gewusst, ich bin so drin, dass alles, was ich jetzt schreibe, ganz genau stimmt. Vor Kurzem war ich im Goethe-Haus in Weimar. Da hat einer den erstaunlichen Satz gesagt: Herr Walser, so ein Buch erwartet man von Ihnen. Ich habe nicht nachgefragt, warum. Weiß der Teufel, was er alles gedacht hat, aber ich empfand diesen Satz wie eine Ermächtigung.
Standard: So gut können Ihre Sätze gar nicht sein, dass nicht Kritiker kommen werden, die sagen: Jetzt spinnt er, der Walser – er glaubt, er sei Goethe.
Walser: Ja, das wird noch lustig. Es kommen bei mir Wörter vor, die sage ich jetzt nicht. Aber ich würde mit Ihnen jede Wette machen, 90 Prozent aller Kritiker werden sagen, diese Wörter hätte er nun wirklich weglassen können, die gab es nicht bei Goethe. Aber da sind 1827 im Gespräch Wörter wie von heute gefallen. Ich bin momentan noch so drin in diesem Buch, ich weiß gar nicht, wie ich wieder herauskommen soll. Solange ich schreibe, bin ich glücklich. Wenn ich geschrieben habe, ist nix. (blickt auf den Bodensee) Höchstens Schwimmen, das hilft auch. Schreiben oder Schwimmen. (Sebastian Fasthuber, DER STANDARD/Printausgabe, 22./23.09.2007)
Permalink
… und dann setzen wir alle drei (Goethe, Walser, Ulrike) aufs fliehende Pferd und schauen, wer zuerst hinten runterfällt! 😉
Permalink
Wenn Schwimmen „auch hilft“, dann wäre zu wünschen gewesen, Walser hätte sich dem Schwimmsport öfter gewidmet. 😉
Permalink
walser schwimmt regelmässig. auch im spätherbst. also von wegen schwimmen. die gesellschaftliche peinlichkeit der beziehung w-u durchzustehen, mit genauigkeit und letzter begeisterung, dafür braucht es walser. wersonst?
Permalink
[…] Walser im Standard-Interview […]