Wolfgang Frühwald hat in der Insel Bücherei ein kleines Bändchen vorgelegt, dass sich um den Lebenskomplex Goethes zur Zeit seiner Hochzeit im Oktober 1806 dreht. Unmittelbar vorausgegangen war die Niederlage des preußischen Heeres bei Auerstedt und das Eindringen der marodierenden französischen Soldaten in Weimar. Dabei soll es, nach Darstellung der Zeitgenossen, zu einer kritischen Situation im Hause Goethes gekommen sein, die angeblich durch das todesmutige Dazwischentreten Christianes entschärft worden sein soll. Die Lage im Hause Goethe entspannte sich rasch, als sich hohe französische Offiziere einquartierten und damit weiteren Übergriffen ein Riegel vorgeschoben wurde.
Nur wenige Tage später heirateten Goethe und Christiane Vulpius in der Jakobskirche. Goethe betont später, dass ihm durch die durchlebte Gefahr zu Bewusstsein gekommen sei, dass weder seine langjährige Geliebte noch sein damals noch minderjähriger Sohn versorgt sein würden, wenn ihm etwas zustieße. Dies scheint die Hauptmotivation gewesen zu sein, die Lebensgemeinschaft mit Christiane endlich zu legalisieren, wenn Goethe auch nicht hoffen konnte, dass dieser Schritt dazu führen würde, das Ansehen seiner Frau in den Augen der Weimarer Gesellschaft zu heben.
Frühwald stellt die Hochzeit völlig zu Recht in einen breiten Rahmen ein, der bei Goethes Verhältnis, besser Unverhältnis zum Tod anfängt, die historischen Lage Weimars im Oktober 1806 umfasst und sich schließlich auch Goethes Verständnis der Ehe zuwendet. Leider behandelt er hier nur das Gedicht „Das Tagebuch“ etwas ausführlicher; der in der Sache gewichtigere Roman „Die Wahl- verwandtschaften“ hätte wohl den Rahmen des Bändchens gesprengt und kommt deshalb nur am Rande vor.
Der Text ist aus einem Vortrag zum 200. Hochzeitstag Goethes hervorgegangen. Fachleute sollten nicht auf Neues hoffen; auch bildet die Hochzeit nur den Fokus für großräumige Überlegungen, die insgesamt wenig überraschend oder originell sind. Das Büchlein ist eine angenehme und leichte Lektüre, sicherlich als Geschenk hervorragend geeignet oder als nachmittägliche Lektüre für denjenigen, der wieder einmal entspannt ein paar Stunden mit Goethe verbringen möchte. Frühwald gehört sowohl in seiner Sprache als auch mit seinem Ansatz zur Interpretation noch ganz zur alten Schule:
Das ewig unergründliche und zur Sünde geneigte Menschen- herz ist dem Walten eines Göttlichen unterworfen. Auch die stärkste im Menschen waltende Kraft der Natur, die Sexua- lität, kann Gedächtnis gewinnen, kann dem Humanen, der Erinnerung dienstbar werden. Denn nur dort, wo Sexualität Erinnerung schenkt, ist sie Teil der Liebe.
Wer gegen solche Sätze nicht allergisch ist, kann an dem Bändchen durchaus sein Vergnügen haben.
Wolfgang Frühwald: Goethes Hochzeit. Insel-Bücherei Nr. 1294. Frankfurt/M.: Insel Verlag, 2007. Bedruckter Pappband, Faden- heftung. 80 Seiten. 11,80 €.