Ganz lange Linien zieht Manfred Osten in der NZZ:
Beschleunigung und rasender Stillstand, Herkunftsvergessenheit und sittliche Verwilderung: Die Phänomene der Globalisierung sind keine Erfindung der Moderne. Bereits Goethe ahnte, was auf die Menschheit zuzukommen drohte. Zumal im «Faust» kann man es nachlesen.
Das geht zum Beispiel so:
Mit dem Verlust der Parameter der Humanität öffnet Goethe aber auch das Tor zur (ironischen) Antizipation globaler Science-Fiction-Phantasien mit dem Ziel einer Optimierung des Menschen. Der Versuch, den menschlichen Phänotyp zu ändern durch Eingriff in seinen Genotyp, misslingt zwar (im zweiten Teil der «Faust»-Tragödie): Der (mit Mephistos Hilfe) künstlich generierte Mensch präsentiert sich als nur halb zur Welt gekommener Homunculus. Aber gelungen ist, wie die intellektuellen Kunststücke dieses Homunculus zeigen, ein wichtiges Ziel des zum Gentechniker avancierten Famulus Wagner, «ein Hirn, das trefflich denken soll». Eine Optimierung des menschlichen Gehirns also, die bereits die Frage aufwirft, wem im Reich evolutionswissenschaftlich begründeter Beliebigkeit die Entscheidungskompetenz in Fragen einer künftigen Bestimmung des menschlichen Phänotyps zuerkannt werden soll.
Wenigstens mit einem sollte Goethe im „Faust“ Recht behalten:
FAUST.
Mich dünkt, die Alte spricht im Fieber.
MEPHISTOPHELES.
Das ist noch lange nicht vorüber,
Ich kenn’ es wohl, so klingt das ganze Buch;
Ich habe manche Zeit damit verloren,
Denn ein vollkommner Widerspruch
Bleibt gleich geheimnisvoll für Kluge wie für Toren.
Mein Freund, die Kunst ist alt und neu.
Es war die Art zu allen Zeiten,
Durch Drei und Eins, und Eins und Drei
Irrtum statt Wahrheit zu verbreiten.
So schwätzt und lehrt man ungestört;
Wer will sich mit den Narr’n befassen?
Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört,
Es müsse sich dabei doch auch was denken lassen.
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[…] Goethes naturwissenschaftlicher Beschäftigung und konkreten Textstellen im »Faust« bist zu Manfred Ostens Spekulationen über die Bedeutung der Beschleunigung im »Faust« und der modernen Welt reicht. Besonders […]